Wir verlassen den Hauptmarkt und gehen in die Brotstraße. Hier befanden sich dreizehn Geschäfte jüdischer InhaberInnen, die - wie alle anderen Geschäfte von Juden - am 1. April 1933 boykottiert wurden. Erstmals wurden prominente Juden in "Schutzhaft" genommen. Im "Escher Tageblatt" war an diesem Tag zu lesen: "Die Brotstraße ,ist voll von Menschen, Gaffer, die sich den Rummel ansehen wollen'. Vor den geschlossen jüdischen Geschäften stehen die Jünglinge mit den Armbinden und lassen sich als die neuen Herren bestaunen... Und das Volk? Das Volk hat es mit der Angst. Man konnte in wenigen Gesichtern einen Funken von Jubel sehen, dass den Juden so übel mitgespielt wurde. Man hatte das Gefühl, dass alle diese Menschen sich ducken, sich unauffällig machen wollen..."
(aus: Reinhard Bollmus, Trier und der Nationalsozialismus 1925-1945, in: Kurt Düwell und Franz Irsigler (Hg.), Trier in der Neuzeit (= Reihe: 2000 Jahre Trier), Bd.3, Trier 1988, S.529)
Fünf Jahre später zerstörten SA-Männer in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938, der sogenannten "Reichskristallnacht", in Trier wie im übrigen Reich Geschäfte und Wohnräume jüdischer Mitbürger.
Über die Verwüstungen in Trier berichtet der Augenzeuge Wilhelm Demuth: "Stunden später habe ich mich aufgemacht (...) zu einem Streifzug durch Trier, vorbei an jüdischen Wohn- und Geschäftshäusern. Es war einfach grauenvoll. In der Brotstraße [im Haus Nr. 19, wo heute das Schuhhaus Hoffmann seine Verkaufsräume hat] befand sich ein Spezialgeschäft mit Kurzwaren. Helene Vasen, eine resolute Jüdin mittleren Alters, stand einem mit Rat und Tat zur Seite. Unmengen schönster Knöpfe für alle Zwecke lagen fein sortiert in Vitrinen und Regalen mit Schubladen. Hier sah alles furchtbar aus. Die Vandalen schlugen alles kurz und klein. Man konnte in den Knöpfen förmlich waten. Zu Tausenden lagen sie durcheinander zu einem Chaos zusammengeworfen auf dem Fußboden. In verschiedenen Wohnungen der Juden wurden die feinsten Möbelstücke durch die Fenster auf die Straße geworfen. Manch kostbares Stück rissen sich die Nazibonzen einfach unter den Nagel, zum bleibenden Andenken für Vollarier."
(aus: Trierischer Volksfreund vom 9.11.1988).
Haus Brotstraße Nr. 21-22:
früher Manufakturgeschäft Ermann und Modehaus Scheuer, heute Büro- und Geschäftshaus